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Wednesday, July 09, 2008


Die Urreligion und Mythologie der Ungarn


Die Herkunft und das Wesen der Ungarn ist in Wahrheit immer noch ein Buch mit vielen Siegeln. Vermutungen über deren Herkunft gibt es zahlreiche, doch sind diese meist fabelhaft oder stark nationalistisch verbrähmt. Auf der Suche nach den Ursprüngen der ungarischen Sprache gab es unterschiedliche Herleitungsversuche. Heute ist sich die Sprachwissenschaft der Ansicht, dass Ungarisch zusammen mit Samisch, Estnisch, Finnisch und einer Reihe von im europäischen Russland und in Nordsibirien gesprochenen Sprachen zur Gruppe der finno-ugrischen Sprachen gehört.



"Turul" der mythologische Vogel der Ungarn.

Die Byzantiner hielten die Ungarn beim ersten Kontakt für Verwandte der Türken. So entstand auch der Name "Ungar" als Ableitung von "Onogur". Lautet die Selbstbezeichnung der Ungarn „Magyaren“, so stammt die westliche Fremdbezeichnung interessanterweise gerade von diesen turkstämmigen Splittern, nämlich den Onoguren.
"Diese dürften sich, als die Stammesbildung noch im Laufen war, bei den Einfällen im Ostfränkischen Reich und in Italien (seit Ende 9. Jh.) zunächst besonders hervorgetan haben, so dass ihr Name von den mitteleuropäischen Geschichtsschreibern schließlich auf das gesamte spätere Volk übertragen wurde."(Klaus Brandstätter)
Die Theorie der Verwandtschaft zu den Türken erhielt vor allem dadurch Nahrung, weil die Turksprachen ebenfalls agglutinieren (=„anklebende”) und vokalharmonisch aufgebaut sind. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Wortverwandtschaften mit dem Türkischen, die über das sonst übliche Stadium von Lehnwörtern weit hinausgehen.

Doch Sprache und Ethnie sind bekanntlich völlig verschiedene Ebenen. So wird heute kein vernünftiger Mensch den indogenen Völkern Amerikas die spanische oder englische Sprache als originäres "Volksmerkmal" anrechnen. Ähnlich verhält es sich hier. Das Ungarntum bedeuten heute genauso einen Sammelbegriff (wie auch das Deutsche, das Englische oder das Französische), der neben magyarischen, insbesondere auch keltische, romanische, slawische, skytische, hunnische, awarische,.... ua. Wurzeln in sich vereingt. Das gutgehegte Märchen, die Magyaren seine so besonders friedvoll und sind seinerzeit in das nahezu menschenleere Karpatenbecken eingewandert, lässt sich wohl nicht länger aufrechterhalten. Gen-, und Sprachforschungen an der Stanford Universität habe erst kürzlich bewiesen, dass lediglich 10% der heute in Ungarn lebenden Menschen auf die landnehmenden Stämme zurückzuführen sind. Dieses Verhältnis dürfte im Großen und Ganzen heute noch bestehen.


heutige Uigurin in Tracht

Der Verdacht, dass die Ur-Ungarn, wie auch die Türken, Kasachen, Mongolen, Chinesen und Japaner auf die Tuva des Altai-Gebirges zurückgehen, erhärtet sich zunehmend. Schließlich leben heute noch im äußersten Westen Chinas die Uiguren, deren Namen schon die Verwandtschaft zu den Onoguren andeutet. So leben in und um Urumtschi (Ürümqi), der Hauptstadt der autonomen Provinz Xinjiang (Dschungarei) heute noch eine (von den Chinesen unterdrückte) Minderheit von rund 2 Millionenen Menschen, die in ihren Trachten, Speisen und Bräuchen den heutigen ungarischen Gewohnheiten gar nicht unähnlich sind. Die Silbe "Ur", die uns hier begleitet bedeutet im ungarischen schließlich "der Mann". Und so könnte bspw. "Uigur" (= neue Mann) der neue Mensch, das neue Volk bedeuten. Der heutige Begriff "ugri" kommt nicht nur in der Sprachwissenschaft vor, sondern ist auch immer noch als Familiennamen in Ungarn gebräuchlich.

Die Forschungen und Diskussionen über die Herkunft des Ungarischen sind sicher noch lange nicht abgeschlossen. Insbesondere deshalb ist der nun folgende Essay der Religionswissenschaftlerin Susanne Bukta von großem Interesse. Dies vor allem vor dem Hintergrund des Diskurses, was denn heute das "Europäische" überhaupt bedeutet, bzw. wo Europa heute stattfindet und wo es aufhört. Wenn wir also das interkulturelle Bewusstsein in uns und in unseren Nachbarn entdecken wollen, braucht es solche Einsichten, damit wir uns vor eigenen Illusionen, Klischees und anderen Stereotypien zu schützen lernen.
(Michael Stanzer)


Die Urreligion und Mythologie der Ungarn

1. Kurze Geschichte des ungarischen Volkes bis zum Geschlecht der Arpaden
2. Urreligion der ungarischen Stämme
3. Mythologie
4. Schlußbetrachtung




1. Kurze Geschichte des ungarischen Volkes bis zum Geschlecht der Arpaden


Anonymus: Gesta Hungarorum


Wenn man einen Blick in die Geschichte der Ungarn zu werfen versucht, tellt sich die erste Frage, wo denn zu beginnen sei. Fangen wir da an, wo das erste Mal der Name dieses Volkes erscheint oder suchen wir ihren Ursprung, d.h. ihre Urahnen? Die Forschung hat mit Hilfe von einigen Wissenschaftszweigen, namentlich der vergleichenden Sprachwissenschaft, der Archäologie und frühgeschichtlichen Linguistik, Anfänge und Wege der Ungarn bis zu ihrer heutigen Heimat ergründet. Die eben erwähnten Wissenschaften sind die Quellen für Datierungsversuche, die notwendigerweise immer hypothetisches enthalten. Im Falle der Ungarn gilt im insbesonderen, daß sie nicht nur von einem einzigen Volke abstammen und sich durch die gesamte Geschichte als eine geschlossene Einheit ihren Weg in die Moderne gebahnt haben. Vielmehr kam es im Zuge ihrer Streifzüge als nomadisierendes Reitervolk zu ständigen Vermischungen. Somit liegt ihre eigentliche Identität in einem "multikulturellen" Gemisch, wie wir heute zu sagen pflegen. Diese verschiedenen Einflüsse werden nun erörtert.

Die Sprachwissenschaft mit ihren Untersuchungen und Vergleichen im linguistischen Bereich und die Archäologie mit ihren Ausgrabungsfunden, haben folgenden geschichtlichen Ablauf rekonstruiert: Vom finnisch-ugrischen Urvolk als Stammbaum ausgehend, lösten sich um das 4. Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung die Samojeden heraus. Ein Jahrtausend später um 3000-2500 v.Chr. zweigten sich die Ugrier ab, die späteren Obugrier, Ostjaken, Wogulen und schließlich, für uns in diesem Zusammenhang am wichtigsten, die Ungarn (ung. Magyaren).


Der Vollständigkeit halber wird die Geschichte der Abzweigung fortgeführt: Um 2000-1500 v.Chr. bilden sich die Permier, also die späteren Wotjaken und Syrjänen, vielleicht um das 1. Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung die Wolgafinnen, die späteren Tscheremissen und Mordwinen heraus. Vermutlich sind die Ostseefinnen um das 5. Jahrhundert v. Chr. vom mittleren Lauf der Wolga im Baltikum eingetroffen. Nach diesem kurzen Abriß wenden wir uns den von den ugrischen Völkern abstammenden Ungarn zu, deren erste Heimat westlich vom Ural im Gebiet des Kama-Flusses lag. Von dort sind sie immer südlich der Südgrenze der nordeuropäischen Waldregion und dann entschieden nach Süden bis auf die Gegenden von Kiew gewandert. Ihre zweite Heimat lag im Gebiet, das sich östlich von Kiew, nördlich des schwarzen Meeres und im Nordwesten des Kaukasus befand. In dieser Zeit kommt es zu einer geschichtlich belegbaren Vermischung der südlichsten ugrischen Völker, die Fischer und Jäger sind, mit den onogur-bulgarischen Stämmen. Die zuletztgenannten sind politisch gereift und zur Staatenbildung fähiger. Ihre Bezeichnung entsteht im 5. Jahrhundert n. Chr. im Zuge der Vereinigung von türkischen Onoguren aus dem Osten mit den restlichen aus dem Donautal zurückfließenden Hunnen.


Die Onogurbulgaren, türkische Reiternomaden, organisieren die Südugrier, zwingen ihnen ihre militärischen und sozialen Lebensformen auf und lernen ihre Sprache. Durch diesen Einfluß der onogurischen Führungsschicht werlden die ugrischen Untertanen zu Reiterhirten erzogen. So tritt die neue Volkspersönlichkeit, das Ungartum mit ugrischer Sprache und türkischer Lebensform im Laufe des 9. Jahrhunderts in die Geschichte ein. In dieser Zeitspanne (nach 856) gelingt es Almos (Almus), dem Fürsten des Stammes Megyer (magyar), der unter den Stämmen der mächtigste ist, die sieben Stämme der Ungarn (Hetumoger, Hetmagyar) zusammenzufassen. Um 888 ziehen sie aus ihrer zweiten Heimat in die heutige Moldau als ihrer dritten Heimat. Aus der Wahl des Stammesfürsten geht dann das Großfürstentum von Arpad, dem Sohn Almus´s, hervor (vor 895) (1). Unter Arpad ziehen die Ungarn schließlich in ihre heutige vierte Heimat (896 u. später). Der Großfürst Geyza, der Urenkel Arpads, öffnet das Land für das Christentum (970-997). Sein Sohn, der noch heute am Nationalfeiertag gefeierte Stephan der Heilige (Istvan Kiraly 997-1038 n. Chr.), setzt seine Politik, die darin besteht, das Land zum Westen hin zu öffnen, fort. Um das Jahr 1000 wird er zum König der Ungarn gekrönt. Eine geschichtliche Besonderheit liegt darin, daß das Reiternomadenvolk der Ungarn durch seine Seßhaftwerdung und Annahme des Christentums nichts von ihrer Sprache, den Grundzügen seines Charakters, seiner Denkart und den Urformen seiner politischen und wirtschaftlichen Organisationen einbüßte. Das zeigt ihre politische Weitsicht und Eigenständigkeit.




Moderne Ungarin während einem Schamanenritual.

Soweit die Ausführungen in der Geschichte des ungarischen Volkes wie sie in diesem Zusammenhang für die Untersuchung der ungarischen Urreligion bis zur Annahme des Christentums wichtig zu erwähnen waren.

Die Urreligion ist ganz eng verknüpft mit der Mythologie des Volkes und mit geschichtlichen Darstellungen verwoben. Diese drei Aspekte bilden eine Einheit, da sie sich gegenseitig befruchtet haben. Die Frage zu beantworten, wie das konkret in Erscheinung getreten ist, wird die Aufgabe dieser Arbeit sein.

2. Urreligion der ungarischen Stämme


Sie wurde erst nach der Erschließung des ugro-finnischen und turkotarischen Vergleichsmaterials bekannt. So hatte bis zur zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Annahme gegolten, dass die Ungarn Heiden gewesen sind. Dies spiegelt natürlich nur den christozentrischen Blick wieder. Doch was herrschte vor der Christianisierung für ein Glaube vor?

Auch hier muß weit in die Geschichte ausgeholt werden, um zu sehen, welche religiösen und weltanschaulichen Elemente bis heute noch nachwirken und in die Mythologie eingegangen sind und woher sie stammen.

Deshalb ist noch einmal auf den finn-ougrischen Volksbereich einzugehen, von dem, wie wir im geschichtlichen Ausblick gesehen haben, auch die Ungarn insbesonders von ihrer Sprache her abstammen und diese auch mit der Vermischung der Onoguren nicht verloren haben. Was den vom ugrischen Sprachstamm abstammenden Völkern noch gemeinsam war außer der Sprache, war das Schamanentum. Davon gibt es bei den Samojeden, Lappen, früheren Finnen, Wogulen ,Ostjaken und frühen Ungarn Zeugnisse. Durch die Erfahrung der Macht der "Zauberer" herrschte ein Glauben an deren Wirksamkeit. Der Zauberer, besser Schamane, trat mit verschiedenen Verfahren im Rahmen eines Ritus mit den Geistern des Himmels und der Hölle, die sich unter der Erde befinden, in Verbindung. Mit Kräften begabt verließ er seinen Körper im Trancezustand, der von einer Trommel induziert und gelenkt wurde, so daß er sich entweder in den Himmel oder unter die Erde begeben konnte. Die Rolle eines Schamanen war eine soziale, denn er erwirkte durch seine mentalen Reisen (oft auch mit Pilzen eingeleitet) die Heilung eines Kranken, indem er z.B. den Willen der Geister der Verstorbenen deutete oder auf einen bösartigen Geist einwirkte, der die Krankheit veranlaßt hatte. Denn nach dem Glauben der Menschen war die Natur mit Dämonen erfüllt. Ein derartiger Schamanismus mit ähnlichen Aspekten existierte auch im sibirischen Raum bei den Tungusen und Jenissei-Ostjaken. Die Uralvölker hatten schließlich nicht abgeschlossen gelebt, sondern hatten auch Kontakt zum alten Sibirien, Zentralasien und den Völkern zwischen den Karpaten und dem Ural. Was hat sich nun im ungarischen Volksgut von diesem Schamanismus noch erhalten können? Schon beim betrachten der heutigen Sprache und der Erforschung ihrer womöglich ursprünglichen Bedeutung ergeben sich einige interessante Fakten.


Das Wort "tudomany" (heute: Wissenschaft) war ursprünglich das okkulte Wissen oder der Zauber. Der ungarische Schamane, der "Taltos" heißt, erlangte sein "tudomany" nach einem einige Tage anhaltenden Scheintod, währenddessen er initiiert wurde. Das Wort "Taltos" für den ungarischen Schamanen stammt etymologisch aus dem türkischen "tal-, talt-", was die Bedeutung von "in Ohnmacht fallen", "die Besinnung verlieren" hat. Die Einweihung geschah durch eine Prüfung , in der der angehende Schamane in seinem Trancezustand den "bis zum Himmel reichenden Baum" (ung. "Tetejetlen nagy fa") erklettern musste. Dieser Weltenbaum gehörte zum Weltbild dieser Völker. Das erklettern desselben drückt bildhaft die ungarische und nordeurasische Vorstellung von übereinanderlegenden Welt- bzw. Himmelsschichten aus, zu denen sich der Adept im schamanistischen Kontext, als auch im späteren Volksmärchen, nacheinander einen Zugang erkämpfen muß. Im Volksmärchen drückt sich diese Vorstellung noch nachhaltig in den Abenteuern des Helden aus, der mehrere Prüfungen bestehen muß, um an sein Ziel zu kommen.

Der Höhepunkt der Schamanentätigkeit ist der Schamanenkampf zwischen einem guten/weißen und einem bösen/schwarzen Taltos, die beide in der Gestalt eines Stieres erscheinen. Der weiße Taltos erbittet in einer Furcht vor dem Kampf menschliche Hilfe. Sie wird ihm gegeben und besteht im durchschneiden der Sehnen des Gegners. Hier zeigt sich eine Ausprägung des dunklen Weltaspektes. Der gute Taltos kämpft entweder gegen eine Krankheit, um eine Abwehr einer Naturkatastrophe oder für günstiges Wetter (2).

Der dunkle und der helle Weltaspekt deuten auf eine Dualität hin, die die Forschung in Zusammenhang mit der dualistischen Religion des Zoroastrismus gebracht hat. Einer der ersten Forscher in diese Richtung war Daniel Cornides (1732-87), der aufgrund der Religion der alten Türken auch bei den Altungarn einen Kult der Elemente annimmt, mit einem höchsten, über und hinter allen Elementen stehenden Gottes. Schließlich bringt er diesen ungarischen "Isten" (Gottheit) mit dem iranischen "Isdan" in Zusammenhang. Daraus entsteht die Annahme eines ungarischen Feuerkultes und die einer Beziehung mit späten Formen des Zoroastrismus.



"Ur-Turul"

Das dualistische Weltbild läßt sich anhand von den Ungarn ureigenen Begriffen ableiten, wie "mano" (Wesen, das Isten kämpfend gegenübersteht und den dunklen Weltaspekt (Armany) repräsentiert) oder "ördög" (in ungar. Urreligion auch eine auf Seiten des dunklen Weltaspekts stehende Gottheit, der auch geopfert wurde, heute der Teufel). Das Wort Armany (oder als Adjektiv "armanyos" =trügerisch, listig), faßte Daniel Cornides als eine Übernahme des iranischen "Ahramanyu/Ahriman" auf. So entwickelte sich die Auffassung eines ungarischen Parsismus. Diese Linie wurde von der Romantik begeistert aufgenommen, die auf der Suche nach dem Ursprung des ungarischen Volkes war. Dichter und Forscher beschäftigten sich mit diesem Thema und fand seinen Niederschlag in der literarischen Welt Ungarns. Es fand Anklang in der Jugend und kreierte somit ein neues Ursprungsbewußtsein und eine geschichtliche Wurzel, die bis dahin nie eindeutig gefunden worden war.

Die Ungarn als Reiternomaden waren schließlich bis zum Ende des 10. Jahrhunderts dem Einfluß iranischer Kultur ausgesetzt gewesen. Das Konzept eines dualistischen Weltbildes fand im ungarischen Selbstverständnis auch in der Geschichte dieser Volksmentalität ihre Entsprechung. Der Kampf war ein entscheidender Wesenszug der iranisch-turan. Spannung zwischen Reiterhirten und Seßhaften gewesen. Das gesamte Weltgeschehen wurde als Kampf, als dualistische Spannung erschaut, das sich im Kosmos offenbarte. Somit war das dualistische Weltbild verständlicherweise als Ureigenheit angenommen, auch wenn der Wissenschaft gemäß die Terminologie gewisser Korrekturen bedarf.

Diese Vorstellungen von das gesamte Weltbild bestimmenden polaren Gegensätze spiegelt sich im kosmisch-politischen Erscheinungsbild der ungarischen Könige, die eine Doppelstellung innehatten, wieder. Es gab die Ineinsetzung von Gott und Herrscher im reiternomadischen Denken. Die Gottheit selbst hatte als gegenüber noch andere göttliche, halbgöttliche Wesen und Dämonen. Noch heute finden sich im ungarischen Sprachgebrauch einige dieser Ausdrücke, wie z.B. "fene" oder "mano". Der König stellte den Repräsentanten Gottes dar, der das Glück des Volkes trägt und im Kampf erfolgreich sein mußte. Macht, Glück und Schicksal bildeten auch eine Einheit in der Würde des Nomadenhäuptlings Almos. Als der Sohn des Almus, namentlich Arpad, mit seinen zusammengeschlossenen 7 Stämmen Pannonien mittels drei symbolischer Gaben (weißes Pferd, vergoldeter Sattel und goldener Halfter) "erkauft" hatte, wurde dieser Kauf durch eine Hornzeremonie und ein Wasseropfer geheiligt, wobei das Volk dreimal feierlich den Namen der Gottheit ausrief. Alle Könige haben zu Lebzeiten und später mythische Züge erhalten. Ihr Amt war durch Zeichen legitimiert und bekräftigt, so auch beim Heiligen Stephan durch den Traum der Eltern, der seine göttliche Erwählung anzeigte. Besonders König Ladislaus der katholische Heilige (Szent Laszlo Kiraly 1077-1095 n. Chr.) enthält in der ungarischen Königssage stark urreligiöses Sagengut. Sein Kampf gegen den Feind, den Kumanen, findet seine Entsprechung samt der Art des Ausgangs des Kampfes, im Schamanenkampf, wie er oben erwähnt wurde. Die Sagengestalt des Ladislaus ist mit Licht und Glanz umgeben, seine Feinde verkörpern dagegen den dunklen Aspekt. Somit erscheint auch hier wieder das Weltbild der Gegensätze bzw. der Dualität. Diese Vorstellung überdauerte das verbreitete Christentum noch nachweisbar bis ins 13. Jahrhundert.

Im Zuge der Mythologisierung der ungarischen Herrschergestalten stellt sich im Anschluß die Frage nach den Mythen der Ungarn im allgemeinen. Im Folgenden sollen einige aufgeführt werden.


3. Mythologie

Der Ursprung der Dynastien von Häuptlingen, unter denen die Ungarn den Donauraum eroberten und sich am Ende des 9. Jahrhunderts festsetzten wird in einem Mythos wie folgt erzählt: Die Häuptlingstochter Emesu (aus ung. "Sau") hat einen Traum, in dem sie einen Habicht (oder Falke) auf sich zufliegen sieht. Dieser befruchtet sie, worauf sich aus ihrem Schoß ein Feuerstrom ergießt. Ein Knabe mit dem Namen Almus ("der aus dem Traum geborene") wird geboren.

Er ist das mythische Urbild des sagenhaften Gründers, das auch auf die ihm folgenden Herrscher angewendet ist (siehe oben über den Heiligen Stephan). Doch woher stammten seine Eltern, wie weit läßt sich die sagenhafte Familienlinie zurückverfolgen?

Die Mutter von Almos war die Frau des Ungarnfürsten Ugek (ung. "Ügyek", etym. vermutlich "Ahn, Ahnchen") gewesen, der wiederum aus dem Blute des Urkönigs Magor (Magyar) abstammte. Seine Geschichte dieses Urkönigs ist in der Mythe von der wundersamen Hindin (ung. "Csodaszarvas") dargestellt: Das Brüderpaar Hunor und Magor geht auf die Jagd, wo es in der Steppe auf einen "csodaszarvas" trifft. Die Hindin flieht vor ihnen (wie im uralischen Mythos) und führt sie im Laufe der Verfolgung in fruchtbares Land, wo sie das Tier aus den Augen verlieren. Sie ziehen bald darauf mit ihrer Gefolgschaft in dieses vielversprechende Land. Sechs Jahre später werden sie durch Gesang und Musik erneut auf die Steppe hinausgelockt. Sie finden die Töchter des Königs Dul(a) und die Frauen der Söhne des Königs Bereka vor, die sie dann rauben und mit ihnen die Ahnen des hunnischen und des ungarischen Volkes zeugen. Moger wird der Stammvater der Ungarn.

Diese Ursprungssage deutet auf die Verwandtschaft mit den Iranern und Turkvölkern (3). Schaut man sich an, was für einer Familie diese beiden späteren Stammfürsten entstammen, wird man sogleich in die Mythenwelt versetzt. Denn der Vater der beiden ist der in Vielweiberei lebende Riese Menroth (ung. "men"=Hengst) und ihre Mutter die Eene ("ünö"=Hindin). Ihre Verbindung zeigt eine exogamische Konstellation an, wie sie auch bei der Häuptlingstochter Emesu in der traumhaften Vereinigung mit dem Falken (Turul) vorhanden ist.


4. Schlußbetrachtung

Es ist im Laufe dieser Arbeit sichtbar geworden, wie eng verknüpft die Geschichte, die Lebensumstände und die politischen Systeme in der Frühzeit des ungarischen Volkes, mit den urreligiösen Vorstellungen und mythologischem Weltbild waren. Sie standen miteinander in Wechselwirkung und bedingten sich gegenseitig. Konzepte von personifizierten Naturerscheinungen, wie den Wolken, in denen der Drache (ung. Sarkany) wohnte und der Wind als dessen Schwanz aufgefasst (ursprünglich wahrscheinlich ein Wetterdämon), findet man bis in die heutige Zeit im Volksmund wieder. Der eigentliche Ursprung und die Bedeutung derselben ist den wenigsten Ungarn bekannt. Sie bleiben Reste einer bezeugten Vorstellungswelt der alten Ungarn und stellen die Motive in den ungarischen Märchen dar. Auch in diesem Bereich wäre eine genauere Untersuchung sehr wertvoll, denn in ihnen spiegeln sich uralte Elemente vergangener Völkerschaften wieder.

von Susanne Bukta

(1) Wörterbuch der Mythologie, Band 2, Stuttgart 1973, Hsg. Norbert Reiter, S.212, darin: der Aufsatz von M. de Ferdinandy, Die Mythologie der Ungarn.
(2) ders. S.249
(3) Istvan Lazar, Kleine Geschichte Ungarns, Budapest 1989


Von:http://www.civic-edu.eu/main.php?themesdir=default&modul=modNews&ID=dedef7841ae0a9c68870450a3990cd473a&par=newsID;638

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