Ringen um Menschenrechte
und Demokratie
Ulrich Delius
Die seit ihrer Haftentlassung und Ausweisung aus der Volksrepublik China im März 2005 im US-Exil lebende uigurische Menschenrechtlerin Rebiya Kadeer wurde im Jahr 2007 zum dritten Mal in Folge für den Friedensnobelpreis nominiert. Die Vorsitzende des Weltkongresses der Uiguren hatte in China eine mehrjährige Haftstrafe verbüßen müssen, nachdem sie 1999 politisch in Ungnade gefallen war und in einem unfairen Gerichtsverfahren wegen des angeblichen "Verrats von Staatsgeheimnissen" verurteilt worden war. Sie galt als eine der aussichtsreichsten Kandidatinnen für den Friedensnobelpreis 2007 unter den 181 vorgeschlagenen Persönlichkeiten. Denn keine andere Nationalitätengruppe unter den 55 ethnischen Gruppen in China leidet so sehr unter Menschenrechtsverletzungen wie die Uiguren. Eine Auszeichnung für Rebiya Kadeer hätte nicht nur die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf die äußerst schwierige Lage der Uiguren gelenkt sondern auch Kadeers Bemühungen um Menschenrechte und Demokratie für die Uiguren sowie für eine friedliche Lösung der Konflikte in der Region anerkennt. Denn trotz der massiven Repression chinesischer Sicherheitskräfte wirbt Frau Kadeer unter den Uiguren im In- und Ausland für ein friedliches Engagement für die Menschenrechte dieser verfolgten Bevölkerungsgruppe. Chinas umstrittene Assimilationspolitik Dabei mehren sich die Stimmen in der Region, die vor einer Eskalation der Konflikte im rohstoffreichen Nordwesten Chinas warnen. Die systematische Ansiedlung von hunderttausenden Han-Chinesen stößt bei der seit Jahrhunderten ansässigen Bevölkerung in der Autonomen Region Xinjiang, die die Uiguren selbst als Ostturkestan bezeichnen, auf immer mehr Ablehnung und Kritik. "Vor zehn Jahren gab es hier nur wenige Chinesen" erzählt ein Ladenbesitzer in Kashgar, der größten Stadt im Westen Ostturkestans/Xinjiangs. Heute sind Angehörige der chinesischen Mehrheitsbevölkerung der Han kaum mehr aus dem Straßenbild der Stadt wegzudenken. Zwar waren 1998 offiziell noch immer 81 Prozent der 300.000-Einwohner-Stadt Uiguren, doch auch hier wird die Zahl der Han-Chinesen in den nächsten Jahren stark zunehmen. In der Provinzhauptstadt Urumtschi und anderen weiter östlich gelegenen Städten Ostturkestans sind heute bereits mehr als 75 Prozent Han-Chinesen. In der 1958 von Mao Tsetung gegründeten Stadt Shihezi stellen die Han sogar 95 Prozent der Einwohner. Jedes Jahr treffen in der 600.000-Einwohner-Stadt durchschnittlich 10.000 neue Siedler ein. Im Jahr 1997 wurden alleine in Shihezi 70.000 neue Migranten registriert. In Shihezi ist die Zentrale der paramilitärischen staatlichen Produktions- und Baugesellschaft Xinjiang (Xinjiang Production and Construction Corporation) ansässig, die mit der Hilfe ehemaliger Soldaten systematisch die Ansiedlung hunderttausender Han-Chinesen betreibt. Die Produktionsgesellschaft unterhält Dutzende Großfarmen und Industriebetriebe in der gesamten Region. Dank der mit vielen Vergünstigungen staatlich geförderten Migration von Han aus dem Osten Chinas, beherrscht die chinesische Mehrheitsbevölkerung inzwischen in den meisten Städten Ostturkestans den Handel und das öffentliche Leben.
Eine vergleichbare Umwälzung der Bevölkerungsstruktur erlebte auch Tibet in den letzten Jahren. Millionen chinesische Siedler strömten nach Tibet, so dass die tibetische Hauptstadt Lhasa heute schon sehr chinesisch geprägt ist. Eine neue Welle von Migranten kam nach der Eröffnung einer neuen Eisenbahnlinie von Golmund nach Lhasa seit dem Sommer 2007 in die Autonome Region Tibet. Schon heute ähneln die Städte Ostturkestans und Tibets mit ihren breiten Straßen und modernen Häuserblocks architektonisch immer mehr chinesischen Städten und verlieren ihren besonderen kulturellen Charakter. Ihr architektonischer Niedergang ist symptomatisch für die wachsende Bedrohung der traditionellen Kultur ihrer einheimischen Völker.
Gefördert wird die Ansiedlung von Han-Chinesen in Ostturkestan durch große Infrastrukturprojekte wie den Bau von Eisenbahnen und Straßen. Als 1992 eine Eisenbahnlinie nach Kasachstan gebaut wurde, nutzten Han-Migranten die neue Verbindung, um sich entlang der Strecke anzusiedeln. Bis 1999 die Eisenbahnlinie von Kashgar in die 1.500 Kilometer östlich gelegene Provinzhauptstadt Urumtschi eröffnet wurde, lebte in Kashgar vor allem die lokale muslimische Bevölkerung. Nun treffen zweimal am Tag hunderte Han-Chinesen mit dem Zug oder mit den zwanzig täglichen Flügen aus Urumtschi ein.
1949 war nur einer von fünfzehn Bewohnern Xinjiangs Han-Chinese. Rund fünf Millionen Uiguren standen damals nur 300.000 Han gegenüber. Heute ist mindestens jeder Dritte ein Han. Die chinesischen Behörden verschleiern das tatsächliche Ausmaß der Ansiedlung von Migranten. So behaupteten sie bis vor wenigen Jahren, nur sechs Millionen Han hätten sich in Xinjiang niedergelassen. Eine Volkszählung ergab im Jahr 2000, dass bereits 7,5 Millionen Han in Ostturkestan lebten. Ihnen standen mehr als neun Millionen Uiguren gegenüber. Doch tatsächlich leben viel mehr Chinesen in Ostturkestan, das flächenmäßig rund dreimal so groß wie Deutschland ist. Denn in der Volkszählung wurden Soldaten, Polizisten, chinesische Berater und Helfer sowie Mitarbeiter der Produktions- und Baugesellschaft Xinjiang nicht erfasst. Reiche Rohstoffvorkommen Unter vielen chinesischen Neusiedlern herrscht Goldgräberstimmung. Angelockt von dem 1999 von Staatspräsident Jiang Zemin verkündeten "Großen Entwicklungsplan für den Westen", der massive Investitionen in Tibet, Xinjiang und anderen westlichen Provinzen vorsieht, hoffen sie auf Arbeit. Die chinesische Führung betreibt die Erschließung des Westens nicht nur aus militärischen Gründen, um die Grenzen zu den Nachbarstaaten zu sichern und um eine Abspaltung Tibets oder Ostturkestans zu verhindern, sondern auch, um sich Rohstoffe zu sichern. Denn die prosperierende Wirtschaft in den industriellen Zentren an der Ostküste verlangt immer mehr Rohstoffe. Unter dem Deckmantel der "wirtschaftlichen Erschließung benachteiligter Regionen" wird die Ausbeutung neuer Rohstoffvorkommen in Xinjiang und Tibets vorangetrieben. Schon heute ist Xinjiang der bedeutendste Erdgaslieferant der Ostküste. Im Oktober 2007 wurde erneut ein großes Erdgasfeld in der Region entdeckt, das Reserven in Höhe von 130 Milliarden Kubikmetern Gas enthalten soll. Im Jahr 2006 wurden 8 Milliarden Kubikmeter Erdgas in Ostturkestan gefördert. Bislang werden in der Region insgesamt acht Billionen Kubikmeter Erdgas vermutet. Auch werden immer mehr Ölfelder im Tarim-Becken in Ostturkestan erschlossen. Tibet liefert Holz, Wasser, Gold, Kupfer, Bauxit und Kohle. Für die ansässige heimische Bevölkerung bringt die Rohstofferschließung keine wirtschaftlichen Perspektiven. Denn chinesische Arbeitgeber bevorzugen Han-Chinesen. Tibeter, Uiguren, Kasachen und andere ethnische "Minderheiten" werden benachteiligt.
Minderheitensprachen werden missachtet Zwischen den Uiguren und den zugewanderten Siedlern gibt es kaum Kontakt. Han-Chinesen und Uiguren leben in unterschiedlichen Stadtvierteln. Mischehen gibt es nur selten. Die Uiguren und andere in Osttur-kestan lebende ethnische Minderheiten empfinden die chinesischen Siedler als illegale Einwanderer, die die Bevölkerungsstruktur im Sinne der chinesischen Führung verändern sollen. Nur wenige Han beherrschen die uigurische Sprache oder bemühen sich zumindest, sie zu lernen. Die Uiguren sollen nach dem Willen der Behörden und der Mehrheitsbevölkerung Chinesisch und nicht Uigurisch lernen. So wurde das auf der Förderung von Minderheiten-Sprachen aufbauende Erziehungssystem seit 1997 systematisch ausgehöhlt. Eine im April 2004 vom Parteikomitee der Kommunistischen Partei Xinjiangs verabschiedete Erziehungsrichtlinie sieht die schrittweise Abschaffung der "Minderheiten-Schulen" vor. Neben den Schulen für Han-Chinesen, die auch von muslimischen Hui besucht werden, gab es bislang in allen drei Schulstufen (Grundschule, Mittelschule, Obere Mittelschule) separate Schulen für Uiguren und andere in Xinjiang lebende "Minderheiten (Kasachen, Mongolen, Kirgisen, Pamir-Tadschiken), in denen die Minderheiten-Sprache als Unterrichtssprache eingesetzt wurde. Wurde in den letzten Jahren bereits ab der 3. Klasse in diesen Minderheiten-Schulen in Chinesisch unterrichtet, so sollen die Minderheitensprachen nun ganz zugunsten des Chinesischen abgeschafft werden. Die Minderheiten-Schulen sollen aufgelöst und den chinesischen Schulen angeschlossen werden. Tausende uigurische Lehrer werden mangels ausreichender Chinesisch-Kenntnisse ihre Arbeit verlieren, da sie nicht an chinesischen Schulen unterrichten können. Im Zuge der Assimilation waren die Schülerzahlen an den Minderheiten-Schulen in den letzten Jahren bereits zurückgegangen. Immer häufiger melden uigurische Eltern ihre Kinder an chinesischen Schulen an, um ihnen ein gutes berufliches Fortkommen zu ermöglichen. Denn die chinesische Führung macht mit ihrer Politik der Assimilation deutlich, dass in der Volksrepublik nur beruflich Karriere machen kann, wer Chinesisch spricht und sich dem Wertesystem der Kommunistischen Partei Chinas unterwirft. Minderheiten-Kultur hat darin allenfalls einen folkloristischen Stellenwert. Die 55 offiziell registrierten "ethnischen Minderheiten" Chinas, die acht Prozent der Gesamtbevölkerung stellen, weisen die höchsten Zahlen von Analphabeten auf. So können in der Autonomen Region Tibet 36 Prozent nicht lesen oder schreiben, in den angrenzenden alten tibetischen Provinzen sind es zwischen 17 und 24 Prozent der Bevölkerung, während insgesamt in den ländlichen Regionen Chinas durchschnittlich nur 8 Prozent Analphabeten sind.
Die UN-Sonderberichterstatterin für Bildung, Katarina Tomasevski, zog nach einem Besuch in Tibet im Jahr 2004 eine katastrophale Bilanz und forderte dringend Maßnahmen zum Schutz der tibetischen Sprache und Kultur sowie anderer Minderheiten-Sprachen. Ähnliches gilt auch für die uigurische Sprache und Kultur, die durch die Assimilationspoltik Chinas massiv in ihrem Fortbestand gefährdet ist. Von 120 Minderheiten-Sprachen in der Volksrepublik seien fünfzig Prozent bedroht, erklärte Tomasevski. Wenn China die Assimilationspolitik nicht aufgibt, wird der Untergang der Kultur und damit auch der Identität der ethnischen Minderheiten in der Volksrepublik kaum aufzuhalten sein. Schwere Menschenrechtsverletzungen dauern an Keine andere ethnische Gruppe ist in der Volksrepublik so massiver und willkürlicher Gewalt der Sicherheitskräfte ausgesetzt. So wurden seit Mitte der 90er-Jahre im Rahmen der "Schlag hart zu"- Kampagne der Sicher-heitskräfte mehr als 700 Todesurteile aus politischen Gründen gegen Uiguren verhängt und vollstreckt. Im gleichen Zeitraum wurde in Tibet ein Tibeter zum Tode verurteilt.
Die willkürliche Gewalt richtet sich nicht gegen Einzelpersonen, sondern gegen die gesamte Bevölkerungsgruppe der Uiguren. So werden in Xinjiang Menschen allein aufgrund ihrer ethnischen Abstammung verfolgt, und nicht nur aufgrund konkreter Straftatbestände. Wer sich für die Bewahrung der traditionellen Kultur und für Menschenrechte in Ostturkestan einsetzt, gilt als Unterstützer des "Terrorismus" und wird mit jahrelanger Haft oder sogar mit der Hinrichtung bestraft. Dies gilt auch für Uiguren, die im Ausland um politisches Asyl ersuchten oder sich für Menschenrechte für Uiguren einsetzten. Mehrfach wurden seit dem Jahr 2004 uigurische Flüchtlinge, die aus zentralasiatischen Staaten oder Pakistan nach China abgeschoben worden waren, in unfairen Gerichtsverfahren zum Tode verurteilt und hingerichtet.
Nur eine sehr kleine Gruppe unter den Uiguren in China hat bislang zu den Waffen gegriffen und den bewaffneten Kampf gegen die chinesische Herrschaft aufgenommen. Statt diese Angehörigen von kleinen Widerstandsgruppen mit rechtsstaatlichen Mitteln für ihre Straftaten juristisch zur Rechenschaft zu ziehen, erklären die chinesischen Behörden pauschal die gesamte uigurische Bevölkerung und uigurische Menschen-rechtler zu "Terroristen", die Xinjiang/Ostturkestan gewaltsam aus dem chinesischen Staatsverband herauslösen wollten. Einen Dialog mit diesen Widerstandsbewegungen oder mit uigurischen Menschenrechtlern oder regimekritischen Oppositionellen lehnt die chinesische Führung ab.
Beijing setzt in Xinjiang/Ostturkestan nur auf eine militärische "Lösung". So wurden seit der blutigen Niederschlagung von Protesten in der Stadt Gulja im Jahr 1997 systematisch die Sicherheitskräfte verstärkt. Auch hat China im Rahmen der im Jahr 2001 gegründeten Shanghaier Kooperations-Organisation die Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen mit den zentralasiatischen Nachbarstaaten deutlich verstärkt. So finden viele uigurische Flüchtlinge aus der Volksrepublik in diesen Nachbarstaaten heute keine Zuflucht mehr, da die Regierungen dieser Länder Beijing nicht verärgern wollen. Immer wieder kommt es zu Massenverhaftungen von Uiguren, zuletzt im Jahr 2006, als nach offiziellen chinesischen Angaben mehr als 16.000 Uiguren verhaftet wurden. In Polizeistationen und Gefängnissen werden Gefangene trotz des offiziellen Folterverbots regelmäßig misshandelt, um vermeintliche Mittäter zu ermitteln oder Geständnisse zu erpressen. Chinas "Antiterror-Kampf" schafft neue Gewalt Seit den Terroranschlägen des 11. September 2001 versucht China seine blutige Repression in Xinjiang als Chinas Beitrag zum weltweiten Kampf gegen den Terrorismus darzustellen. Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, viele Regierungen in aller Welt und Menschenrechtsorganisationen haben diese Darstellung jedoch zurückgewiesen und China vorgeworfen, den Antiterror-Kampf für seine eigenen politischen Zwecke zu instrumentalisieren. Es seien hausgemachte Probleme, die China in Xinjiang habe, die keinen Bezug zum Erstarken des internationalen Terrorismus hätten, betonen Experten.
Denn in Xinjiang/Ostturkestan sind keine muslimischen Extremisten bestrebt, einen radikal-islamischen Gottesstaat aufzubauen, sondern uigurische Widerstandsbewegungen fordern nur die Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts ihres Volkes und verlangen den Respekt grundlegender Menschenrechte. Chinas brutale Niederschlagung und Unterdrückung jeglicher öffentlicher Kritik schürt die Gewalt in Ostturkestan und lässt den Zulauf für diese Widerstandsbewegungen anwachsen. Kriminalisierung von uigurischen Menschenrechtlern Auch im Ausland wächst der Druck der Volksrepublik auf uigurische Menschenrechtler. So werden in zahlreichen Staaten über chinesische Botschaften "schwarze Listen" von unerwünschten Uiguren bei den lokalen Behörden mit der Aufforderung hinterlegt, diesen Personen die Einreise zu verweigern. Von dieser Einschränkung ihrer Reise- und Bewegungsfreiheit betroffen sind zum Beispiel auch Vertreter des Weltkongresses der Uiguren.
Ein Hauptaugenmerk richtet China auf die Aktivitäten uigurischer Menschenrechtler in Deutschland. So forderte die Volksrepublik die deutschen Behörden mehrfach in den letzten fünf Jahren auf, drei uigurische Organisationen mit Sitz in München und Nürnberg zu verbieten, ihr Kapital einzuziehen und die Mitglieder dieser Vereine nach China auszuweisen. Eine öffentliche Reaktion deutscher Behörden auf die Anfragen aus China ist nicht bekannt, doch erklärten das Bundesinnen-ministerium und das für München und Nürnberg zuständige Bayerische Landeskriminalamt und der Bayerische Verfassungsschutz auf GfbV-Anfrage, dass alle genannten uigurischen Organisationen die deutschen Gesetze achteten und auf dem Boden des Grundgesetzes stehen würden. Der Weltkongress der Uiguren und andere uigurische Organisationen in Deutschland suchen regelmäßig das Gespräch mit den zuständigen deutschen Sicherheitsbehörden, um sie über ihre Menschenrechtsarbeit zu informieren. Mit größtmöglicher Transparenz reagieren die uigurischen Organisationen in Deutschland auf die Vorwürfe der chinesischen Behörden und konnten so dokumentieren, dass die Vorwürfe unbegründet sind. Einschüchterung durch Sippenhaft
Auch Sippenhaft ist verbreitet, wie das Beispiel der in China verbliebenen Angehörigen von Frau Kadeer zeigt. So wurde im April 2007 der 32 Jahre alte Uigure Ablikim Abdureyim zu neun Jahren Gefängnis verurteilt. Das Gericht warf ihm vor, sich für die Unabhängigkeit Ostturkestans eingesetzt zu haben. Doch die Prozessbeobachter waren sich einig: Ablikim wurde in einem unfairen Verfahren verurteilt, weil er der Sohn der bedeutenden uigurischen Menschenrechtlerin Rebiya Kadeer ist. Sein "Geständnis" war unter Folter erpresst worden.
Er ist nicht der einzige Sohn Kadeers, der Probleme mit der Justiz Chinas hat. Alim Abdurereyim wurde im November 2006 zu sieben Jahren Haft verurteilt und ihr ältester Sohn, Kahar Abdureyim, muss eine hohe Geldstrafe zahlen. Rebiya Kadeers Tochter und ihr jüngerer Bruder werden unter Hausarrest festgehalten. Da man die im US-Exil lebende Menschen-rechtlerin nicht mundtot machen kann, rächt man sich an ihren Kindern. Auch das Vermögen von Rebiya Kadeer wurde beschlagnahmt; das von ihr gegründete Textil-Handelshaus wird zurzeit von den Behörden zerschlagen. Inzwischen hat China eine eigene Einsatzgruppe innerhalb seines Sicherheitsapparats aufgebaut, die sich nur mit Rebiya Kadeer und ihrer Familie beschäftigt. Von China wird Frau Kadeer heute als Staatsfeindin Nummer eins behandelt, nachdem sie sich nicht an die bei ihrer Freilassung erteilte Auflage hielt, sich im Exil jeder politischen Äußerung zur Lage in China zu enthalten. Zur GfbV-Kampagne: Freiheit für uigurische Gefangene Unterdrückung der Religionsfreiheit
Nicht nur Meinungs- und Versammlungsfreiheit, sondern vor allem die Religionsfreiheit der muslimischen Uiguren wird systematisch verletzt. So werden Moscheen und Koran-Schulen willkürlich geschlossen, religiöse und kulturell bedeutende Schriften und Bücher öffentlich verbrannt, das Feiern muslimischer Feste wird untersagt, Imame werden zur Teilnahme an Umerziehungskursen der Kommunistischen Partei gezwungen, um sie auf den Kurs der Kommunistischen Partei zu verpflichten. Kindern wird an den Schulen die Teilnahme an religiösen Feiern untersagt. Uiguren in Guantanamo bitten um Zuflucht
Auch Jahre nachdem ihre Unschuld von US-Behörden eingeräumt wurde, warten 17 in dem US-Gefangenenlager Guantanamo auf Kuba festgehaltene Uiguren noch immer vergeblich auf ihre Aufnahme in einem Drittland. Während die US-Behörden auf Druck von Menschenrechtsorganisationen inzwischen eine Abschiebung der Inhaftierten nach China ausschließen, sind bisher alle Versuche gescheitert, Drittländer zu einer Aufnahme der Flüchtlinge zu bewegen. Sie sind de facto staatenlos, da mit Rücksicht auf die Volksrepublik China kein Staat bereit ist, ihnen Zuflucht zu gewähren. Rund einhundert Staaten wurden bislang weltweit von den USA gebeten, die Gefangenen aufzunehmen, doch bislang willigte kein Land ein.
Fünf weitere Uiguren, die in Guantanamo festgehalten wurden, konnten nach vierjähriger Haft im Jahr 2006 nach Albanien ausreisen. Sie leben dort unter schwierigen Umständen. Menschenrechte für Uiguren – Empfehlungen: - Freilassung der zwei inhaftierten Kinder von Rebiya Kadeer und aller weiteren politischen Gefangenen,
- Aufhebung des Hausarrests, der gegenüber Angehörigen von Rebiya Kadeer verhängt wurde, und Freigabe ihres beschlagnahmten Privatvermögens,
- Wiederaufnahme der Förderung des muttersprachlichen Unterrrichts in Minderheitensprachen im Bildungssystem Chinas. Die in der Verfassung der Volksrepublik festgeschriebene Zweisprachigkeit muss auf allen Ebenen des Bildungssystems umgesetzt werden, - Die freie Religionsausübung muss gewährleistet sein,
- Die Versammlungsfreiheit muss garantiert werden,
- Einstellung der Hinrichtungen von Uiguren für politisch motivierte Straftaten,
- Aufnahme der 17 unschuldig in dem US-Gefangenenlager Guantanamo festgehaltenen Uiguren in einem sicheren Drittland,
- Schutz der Menschenrechtsarbeit von uigurischen Menschenrechtlern in Deutschland vor Einschüchterung und Einflussnahme durch die Volksrepublik China,
- Die Botschaften der EU-Staaten in der chinesischen Hauptstadt sollten sich intensiver mit der Krisenregion Xinjiang beschäftigen und durch verstärkte Reisen in die Region ihr Interesse an einem Ende der Menschenrechtsverletzungen und an einer friedlichen Lösung der Konflikte dokumentieren,
- Besserer Schutz der in Deutschland lebenden Flüchtlinge aus Xinjiang/Ostturkestan. Von den 600 in Deutschland lebenden Uiguren verfügen rund 30% nicht über einen gesicherten Flüchtlingsstatus und sind nur kurzfristig geduldet. Regelmäßig müssen diese Flüchtlinge bei der Botschaft der Volksrepublik vorsprechen, um ihre Identität zu belegen. Diese Praxis ist nicht zumutbar, da die chinesischen Behörden diese persönlichen Daten nutzen, um die Flüchtlinge unter Druck zu setzen. So wurden zahlreiche Fälle bekannt, in denen auf Drängen der chinesischen Behörden Angehörige in China intervenierten, um die Flüchtlinge zu einer Zusammenarbeit mit den chinesischen Sicherheitsdiensten und zur Bespitzelung ihrer in Deutschland lebenden Landsleute zu drängen.
Oktober,2007 Göttinggen
http://www.gfbv.de/inhaltsDok.php?id=1164
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